Löcher im Bauch

Wie baut man ein Auto? Was essen eigentlich Regenwürmer gern? Wann werde ich endlich vier? Warum wird es Nachts nicht mehr dunkel? Wie macht man Kinder? Können Menschen eigentlich Menschen essen? Wann werde ich endlich vier? Mama, warst du schon sechs Jahre alt? Warst du da groß oder klein? Warum sprechen Franzosen französisch? Wie macht man Äpfel? Essen Tiger auch kleine Kinder?  Wann werde ich endlich vier? Warum stinkt Kacke? Wieviele Männer gibt es? Zehn? Wann bin ich eine Mama?  Wieviel ist fünfzehn? Sind Bonbons gesund?  Ist die Polizei lieb? Wie kommt der Schnodder in die Nase? Können große Menschen kleine Schuhe haben? Wann werde ich endlich vier? Gibt es im Wald Krokodile? Wer macht die Milch in die Packung? Warum schneit es nicht im Sommer? Wann besuchen wir die Mumins? Gibt es grünen Kaffee? Und roten? Wohnen alle Omas in Deutschland? Warum kommen Tränen aus den Augen? Wann werde ich endlich vier?

Spielt sie schon Rollenspiele?

Wurden wir letztens bei dieser 3jahresuntersuchung in der Mütterberatung gefragt. Korrekt hätte die Frage aber heissen sollen: Ist sie auch manchmal sie selbst?

Ich glaube es fing mit Helene an. Seither ist sie jetzt immer irgendwer. Am liebsten ihre eigene Cousine oder deren Bruder, der Cousin. Aber eben gern auch Charaktere aus Büchern und Filmen. Das kann täglich mehrmals wechseln. Und WEHE man spricht sie nicht mit richtigem Namen an, dann gibt es einen gehörigen Rüffel. „Aber Mama! Ich bin doch Laura!“ Ach ja richtig, entschuldige vielmals! Wobei – Mama und Papa sind wir auch nur noch in den seltensten Fällen. Wir müssen auch immer irgendwer sein. Am tollsten ist es wenn sie Findus ist, der Papa Pettersson und ich dann Prillan. Wirklich, ich find’s toll ein kaffeeklatschendes Huhn zu sein, GAK GAK.

Eine dieser Nächte

Von denen man als junge Erstlingsbabymama zum Glück noch nichts weiss, weil man sich in dem Glauben wiegt, Kinder die Nachts nichts mehr zu essen brauchen würden dann auch durchschlafen.

  • 21.17 Das Räupchen ist endlich eingeschlafen. Ich schleiche mich aus ihrem Bett. Wie immer ziehe ich das Rollo ein Stück nach oben um frische Luft reinzulassen. Mit einem lauten „Plonk“ fällt das Rollo zunächst auf meinen Kopf um sich dann geräuschvoll auf dem Fussboden zusammenzuknüllen. Das Räupchen sitzt im Bett und fragt: „Mama, was machst du denn?“.
  • 21.32 Das Räupchen ist wieder eingeschlafen. Ich schleiche mich aus ihrem Bett und dem Zimmer. Das Fenster ist ja schon weit auf.
  • 23.44 Nachdem ich die verlangte Erklärung an die zuständige Behörde geschrieben habe, darüber warum es mir erst nach 12 Monaten aufgefallen ist, dass ich gar kein Kindergeld mehr bekomme, und am Räupchenfotobuch gebastelt habe, das längst fertig sein sollte, gehe ich ins Bett.
  • 1:03 Das Räupchen steht vor meinem Bett und bittet um Einlass. Ausserdem hat sie Durst.
  • 2:14 „Mama, mach Platz!“ werde ich angefaucht. Da ich etwa nur noch ein Zehntel meines Kopfkissens für mich habe und ausserdem jetzt schon einen steifen Nacken fauche ich zurück „In deinem eigenen Bett ist jede Menge Platz!“
  • 3:59 Mit vollem Karacho fliegt Räupchens Kopf gegen meinen. Geht das schon wieder los? Ich halte mir die rechte Schläfe, fluche und jammere und drehe dem Kind vorsichtshalber den Rücken zu.
  • 4:01 Ich halte mir den Hinterkopf.
  • 5.07 „Mama! Mama! Mama! Hier ist alles nass!“ Ich rolle mit den geschlossenen Augen. Dann versuche wach zu werden und zu verstehen was ich jetzt machen muss. Da ich mich nicht in der Lage sehe das Bett frisch zu beziehen, schleppe ich Handtücher herbei. Eins unter das Bettlaken und eins drüber. Das Kind muss ausgezogen werden. Es verkündet nur noch mit einer Windel bekleidet weiterschlafen zu wollen. Ich hole die Windel. Nun wolle sie doch noch einen Schlafanzug. Ich hole den Schlafanzug.
  • 6:00 Fünf Minuten nachdem ich wieder eingeschlafen bin, klingelt Isos Wecker.
  • 6:45 Der Iso zieht die Gardinen auf. Eine dieser Nächte ist zu Ende.

Äiti

Auf der im Kindergarten gebastelten Muttertagskarte haben die Erzieher aufgeschrieben was das Räupchen so über mich erzählt.

(Mama mag gern Kartoffelbrei. Mama mag keinen Fisch. Mama liest mir Bücher vor und spielt mit mir Karten. Mama fährt nach Deutschland mit Papa und mir.)

Ich bin gerührt. Und beeindruckt, ihr Finnisch ist in den letzten Wochen geradezu explodiert. Meine Mäkeligkeit versuche ich übrigens immer zu verbergen, ich wusste nicht, dass sie die Fischsache weiss. Wurde ich natürlich auch gleich bei erstbester Gelegenheit drauf angesprochen. Wo’s doch so gesund ist…

In Europa

  • Ich hatte mich so auf den finnischen Inlandsflug gefreut. Ich sehe gern die Welt von oben und auf einem so kurzen Flug hat man genau die richtige Höhe. Und dann wurde mir zum ersten mal im Flugzeug schlecht. So richtig. Das Tütchen hatte ich zitternd in der Hand bis wir landeten. Dann konnte ich es zum Glück zurück stecken (unbenutzt).
  • ‚Pinni, jetzt bist du endgültig kein kleines Mädchen mehr!‘ schoss mir durch den Kopf als ich den Chauffeur im Anzug am Flughafen stehen sah, der ein Schild mit meinem Namen hochielt. Er zog kurz die Augenbrauen hoch. Wahrscheinlich haben die Leute, die er normalerweise abholt keine Turnschuhe und Wanderrucksäcke.
  • Dass ich Turnschuhe anziehen soll hat mir die Freundin geraten. Damit ich ich bin. Und so war es genau richtig.
  • Als ich also von einem zum anderen Ende Wiens gefahren wurde und die Leute draussen beobachtete, wurde mir klar, dass ich 24 Grad und Sonnenschein unterschätzt hatte. Die folgenden 2 Tage musste ich schwitzen. Immernoch besser als frieren.
  • Und ich war geblendet von so viel grün. Und überall Blüten! Ich weiss gar nicht wann ich zum letzen mal einen blühenden Kastanienbaum gesehen habe.
  • Wien! Was für eine schöne Stadt!
  • Das Institut ist ganz klein und gemütlich und liegt auf einem Berg. Vor ein paar Jahren hätte ich wohl dort anfangen können zu arbeiten. Nicht der schlechteste Ort.
  • Spätestens am nächsten Morgen wurde klar, dass all die Aufregung meinerseits gar nicht nötig war. Ich habe mich selten auf Anhieb mit Fremden so wohl gefühlt.
  • Der seltsamste Moment war der, als ich mit einem meiner (Wissenschaftler-)Helden und seiner Doktorandin an einem Tisch sass. Um Wissenschaft zu besprechen. Und mir die Doktorandin eröffnete, ich sei ihre Heldin seit der ersten Stunde. Da hab ich kurz gelacht.
  • Gefrühstückt habe ich auf einem riesigen Schlossbalkon. Mit Blick über die Stadt.
  • Was macht man übrigens wenn man keinen Fön hat und mit einem sehr dichten Pelz gesegnet ist? Richtig, man steht morgens 3 Stunden eher auf als nötig…
  • Dafür war der Vortrag dann auch wirklich gut vorbereitet.
  • Ich habe ein siebenjähriges Kind getroffen, das mühelos zwischen 3 Sprachen hin- und herwechseln kann und in mindestens 2 Sprachen Witze reisst. Faszinierend.
  • Ein klein wenig Zeit zum Stadt anschauen und Mitbringsel besorgen blieb auch. Bei „Brauchens a Sackerl?“ musste ich schonwieder lachen. Sehr süss.
  • So ein „Würstel“ konnte ich leider nicht mehr probieren. Und vieles nicht sehen. Aber man soll sich ja immer etwas aufheben, damit man wiederkommen kann.

Verloren

Habe ich die familieninterne Wette an welchem Tag der See komplett eisfrei sein wird. Heute. Wir haben uns beide nach hinten verschätzt, ich am meisten. Zum ersten mal freue ich mich über eine verlorene Wette. Jetzt kann man wieder Wellen hüpfen sehen. Und wenn sie sich zur Ruhe legen spiegeln sich Stadt und Himmel. Später auch noch grüne Bäume. In zehn Tagen, wette ich.

Skandal

Wir sind heute quasi in der finnischen Boulevardpresse. Und zwar nicht weil es bei uns schneit. Sondern deshalb:

„Hunderte Kinder bekamen eine falsche Impfung“. Das Räupchen ist eins davon. Also eins von etwa 200, was sich schon weniger dramatisch anhört als „Hunderte“. Und da diese Kinder im Rahmen einer (freiwilligen) Impfstudie eine Hepatitis A-Impfung statt einer Hepatitis B-Impfung bekommen haben, sehe ich auch keinen Grund eine „geschockte Mutter“ zu sein. Nein, sowas soll und darf eigentlich nicht passieren. Und ich hoffe sehr, dass keins der Kinder an Hepatitis B erkrankt ist. Aber bei aller Mühe, die ich mir selbst als Wissenschaftlerin gebe, passieren auch mir Fehler. Ich finde, dass wir angemessen informiert und entschädigt wurden, da muss man doch nicht so einen Elefanten draus machen.