Grundsätzlich hatten wir uns für den Urlaub vorgenommen morgens nicht allzu spät aufzustehen um so viel Tageslicht wie möglich mitzunehmen. Aber am Silvestermorgen schliefen wir natürlich aus. Bis dahin war auch die Sonne über den Berg gestiegen und wir konnten draussen frühstücken. Hach! Dann zogen wir aber endlich die Wanderschuhe an, fuhren wieder den Berg hinterm Ferienhaus hinauf, vorbei am Restaurant mit Katzen und Bananenfisch und noch höher bis wir auf etwa 1400 m auf einer Hochebene parkten. Von dort stiegen wir in ein Tal ab, zunächst auf einer asphaltierten Forststrasse die an sich ein wenig langweilig war, aber wunderschöne Aussichten bot.
Die Laubbäume links und rechts der Strasse hatten zwar keine Blätter, waren aber trotzdem grün.
Die Strasse führte schliesslich zu einer Hütte, einem allerliebsten Naturcafé, in dem wir uns erstmal stärkten. Das Frühstück war ja schon mindestens zwei Stunden her und es gab solch leckere Dinge :) Unter den Gästen im Café schwirrten lauter unterschiedliche Sprachen herum, sogar finnisch. Dann schulterten wir wieder die Rucksäcke mit den umsonst mitgeschleppten Bananen und nun wurde der Weg wesentlich spannender.
Man hat es auch nicht leicht. So als Baum auf Madeira. Noch schöner wurde es als wir auf unsere erste Levada stiessen. Das sind die für Madeira typischen Bewässerungskanäle, die sich über die ganze Insel schlängeln und von denen die ersten schon im 15. Jahrhundert angelegt wurden. Sie leiten Wasser aus niederschlagsreicheren Gebieten in landwirtschaftliche Anbaugebiete und da sie zu Wartungszwecken alle begehbar sein müssen, kann man prima an ihnen entlang wandern.
Dieser hier nennt sich Levada do Risco (Risiko), war aber ganz ungefährlich und führte zum gleichnamigen Wasserfall. Vielleicht weil das Wasser so verrückt ist und sich 100 m den Berg hinabstürzt.
Dort am Wasserfall ist wohl auch ein beliebter Picknickpunkt. Jedenfalls kamen mehrere Buchfinken erstaunlich nah an uns heran gehüpft und sahen uns fragend an.
Man hätte man den Berg noch weiter hinab steigen können, zu weiteren Wasserfällen und Quellen, oder an anderer Stelle wieder hinauf zum Kopf des Wasserfalls, wo es eine Lagune gibt. Aber wir hatten für den Tag noch weitere Pläne und liefen deshalb gemütlich zurück zum Ausgangspunkt.
Im Ferienhaus wurden die letzten Sonnenstrahlen selbstverständlich für eine Runde im Pool genutzt und als es dunkel wurde machten wir, was wir an Silvester immer tun: Gesellschaftsspiele spielen und Chips essen. Ich hatte sogar drei Luftschlangen mitgebracht. Gegen 22 Uhr aber setzten wir uns nochmal ins Auto und fuhren nach Funchal.
Als wir den Urlaub geplant und gebucht hatten, wussten wir gar nicht, dass Funchal für sein Silvesterfeuerwerk berühmt ist. Wie uns der Ferienhausverwalter stolz aufklärte, ist es eine Feuerwerkssinfonie von über 50 Stationen kreuz und quer über die ganze Stadt abgeschossen, die 2006 vom Guinessbuch der Rekorde zum grössten Feuerwerk der Welt gekürt wurde. Von wo aus sieht man es denn am Besten, wollten wir von ihm wissen. Von überall.
Wir überlegten trotzdem lange hin und her ob wir es uns vom Berghang aus ansehen sollten oder uns unten am Meer in das grosse (angesagte) Getümmel stürzen sollten. Die Mehrheit, zu der ich nicht zählte, entschied für letzteres. Wegen der Stimmung. Nun bin ich ja auch ohne Pandemie keine grosse Freundin von Menschenmassen, schon gar nicht an Silvester. Da kenne ich es aus Deutschland so, dass die Mehrheit der Leute schon weit vor Mitternacht betrunken ist und grösste Freude daran hat Böller zwischen die Menschen zu werfen. Und dann kamen wir nach Funchal und es war so nett und fröhlich und friedlich. Das Ganze war eher ein Familiending, es wuselten viele Kinder umher, niemand war betrunken und trotzdem wurde überall gelacht. Und ganz selbstverständlich Maske getragen und sich aus dem Weg gegangen. Sehr schön konnte man anhand der Kleidung die Einheimischen von den Touristen unterscheiden. Die Madeirer hatten sich unglaublich schick gemacht, ich sah an diesem Abend bestimmt 200 verschiedene Glitzerkleider und Krawatten. Die Touristen sahen so aus wie … wir. Turnschuhe und Regenjacken. Wir liefen etwas an der „Strand“promenade entlang und hatten kurz vor Mitternacht den idealen Ausguck gefunden. Die letzte Minute des Jahres zählten alle (in jeweiliger Sprache) gemeinsam laut runter und dann erlebten wir ein achtminütiges Spektakel, das wir so schnell nicht wieder vergessen werden. (Die Fotos können das gar nicht wiedergeben.)
Den Neujahrstag verbrachten wir auf Wunsch zweier Damen mit Nichtstun. Mein Tag bestand hauptsächlich daraus auf dem Liegestuhl in der Sonne liegen und umher zugucken. Das tolle an einem Ferienhaus in einem normalen Wohngebiet ist, dass man genau mitten drin sitzt im Leben. Jedenfalls wenn es zu einem Grossteil draussen stattfindet, so wie auf Madeira. Man hört die ausgelassene Kommunikationsfreude aus allen Richtungen. Man bemerkt, dass eigentlich alle Familien einen Hund haben, der aber niemals ausgeführt wird sondern selbstständig Gassi geht wenn ihm gerade danach ist. Deshalb kann man auch einen Hund dabei beobachten wie er eine Avocado frisst. Man sieht den alten Leutchen gegenüber zu, die ihren Tag damit verbringen in ihrem ausgedehnten und prallvollen Garten zu werkeln, das Trinkwasser im Tank zu überprüfen, die Wäsche auf der Dachterrasse aufzuhängen und dabei mit der Nachbarin auf dem Balkon gegenüber zu schnacken. Man sieht wie überall ständig jemand kurz vorbeikommt, vielleicht um ein schönes neues Jahr zu wünschen. Man versteht kein Wort ausser immer und immer wieder: Christiano Ronaldo. Es muss schon etwas besonderes sein wenn eine so (relativ) kleine Insel eine so berühmte Persönlichkeit hervorbringt. Er hat ein eigenes Museum, es gibt diverse nach ihm benannte Gebäude und tatsächlich rief am Vorabend nach dem Feuerwerk jemand mehrmals sehr laut und enthusiastisch: ANO NOVO! CHRISTIANO RONALDO!!!
Wenn es mir zu warm wurde, liess ich mich einfach in den Pool fallen. Oder ass ein Eis und kühlte nur die Füsse, je nachdem.
Was ich auch lange anguckte waren die Avocados im Baum vor der Terrasse und wie sie im Wind hin und her schaukelten. Ich dachte dabei an meine Freundin, die vor einem Jahr knapp an einem Burnout vorbei geschrammt war und glücklicherweise die Notbremse zog und (unter anderem) spontan mit ihrem Mann für eine Woche nach Lappland fuhr. Es war November, man konnte kaum etwas draussen machen und so sass sie viele Stunden im angemieteten Blockhaus und tat nichts weiter als sich die Maserung des Holzes anzuschauen. Und das hat sie, wie sie meinte, wieder auf die Füsse gebracht. Ich will nicht sagen, dass ich kurz vor einem Burnout war, das zum Glück nicht, aber ich war sehr urlaubsreif. Überreif.
Nach dem Sonnenuntergang präsentierte sich mein Ausblick in den unglaublichsten Farben.
So schön! Deine Reiseerzählungen sind mir eine willkommene Auszeit vom derzeit nahezu endlos grauen Wetter bei uns. Danke:-)
Das freut mich :) Liebe Grüsse!