Die letzten drei Monate im Schnelldurchlauf

Arbeit: Ich habe so viel gearbeitet wie schon lange nicht mehr. Altes Projekt zu Ende bringen und tausend Dinge für das Neue lernen waren an sich schon tagesfüllend. Dann fiel Ende Januar meine Chefin aus familiären Gründen aus und ich musste sie in vielen Angelegenheiten vertreten. Da ich ja gerade erst frisch in der Arbeitsgruppe angefangen hatte, (noch) keine Expertin im Forschungsthema bin und überhaupt gar nicht so richtig wusste wie der Hase läuft Fisch schwimmt, war das sehr sehr herausfordernd. Und zeitraubend. Daher die Stille hier. Gleichzeitig hat es aber auch Spass gemacht und ich habe viel gelernt. Als es Mitte April etwas ruhiger wurde bekam ich eine Corona-Infektion.

Corona: Inzwischen ist die ganze Familie durch damit. Überhaupt kenne ich kaum noch jemanden, der es noch nicht hatte. Fazit: Corona ist wie ein Überraschungsei. Ob man sich bei Kontakt ansteckt, welche Symptome man bekommt, wie schwer man erkrankt und wie lange man braucht um wieder fit zu sein. Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, dass wir drei schonmal die gleiche Krankheit hatten und die dann so unterschiedlich ausfiel. Als Pauline im Februar krank wurde, und das ziemlich heftig dafür, dass es bei Kindern ja nichts weiter ist und sie ausserdem auch geimpft war, da haben wir sie nicht isoliert. Angesteckt haben wir Eltern uns trotzdem nicht. Zwei Monate später hatte plötzlich der Iso einen positiven Test. So richtig wissen wir immer noch nicht wo er sich angesteckt hat, irgendwie auf der Arbeit, aber dort wurde zu dem Zeitpunkt noch Maske getragen (inzwischen sind alle Einschränkungen aufgehoben). Zwei Tage später konnte auch ich dann zwei Teststreifen vorweisen. Trotz unterschiedlicher Symptome war es übrigens bei keinem von uns „nur ein Halskratzen“ oder auch „nur eine leichte Erkältung“. Ganz im Gegenteil ging es uns allen so richtig dreckig und knapp vier Wochen nach meinem positiven Test brauche ich immer noch deutlich mehr Schlaf als vorher.

Teenager: Als Mutter und Vater mit der Seuche im Bett lagen, wurde das Kind dreizehn!!! Die Geburtstagspläne fielen so – danke für nichts, blödes Kack-Virus – zum dritten Mal in Folge ins Wasser. Sie trug es einigermassen mit Fassung und wir machten das Beste draus. Immerhin waren die Gymnastik-Wettkämpfe besser getimt, einer vorher und einer danach. So konnten wir ihre neue Mannschaft zwei mal anfeuern und dabei sein als den strahlenden Mädchen Medaillen um den Hals gelegt wurden.

Politische Lage: Womöglich wird Finnland schon bald der Nato beitreten. Allein die momentane Diskussion darüber wäre noch vor einem halben Jahr undenkbar gewesen. Aber wenn man sich eine über 1000 km lange Grenze mit Russland teilt und mit der Vergangenheit vertraut ist, sieht man den Krieg in der Ukraine auch noch mal aus einer anderen Perspektive. Angst und Sorgen sind hier durchaus präsent und ich kann den Wunsch vieler Finnen gut verstehen jetzt doch der Nato beitreten zu wollen. Auch wenn ich es schade finde, denn ich war immer stolz auf die Neutralität Finnlands und seine Rolle als Vermittler. Aber was will man machen wenn der Nachbar wahnsinnig geworden ist?

Winter, ade: Die Sache mit dem Frühling zieht sich in diesem Jahr ganz besonders in die Länge. Seit Februar liegt zwar irgendwie Frühling in der Luft, aber erst jetzt sind die 80 cm Schnee weitestgehend verschwunden (die Loipenpflege wurde in diesem Jahr am 1. Mai eingestellt – man hätte fünf Monate lang Ski fahren können wenn einem nicht Anfang März der Skistock zerbrochen wäre oder es in den Läden noch welche zu kaufen gegeben hätte) und die Seen tauen in Zeitlupe auf. Immerhin habe ich gestern die ersten kleinen Blättchen an einer Birke gesehen. Man darf die Hoffnung nicht aufgeben, an allen Fronten.

Ein Kommentar zu „Die letzten drei Monate im Schnelldurchlauf

  1. Zur politischen Lage: Ich kann nicht sagen, dass ich stolz war, dass Finnland neutral war in der sogenannten Bündnisfrage, obwohl ich es verstanden habe. Ich hatte auch nie das Gefühl, dass sich die Finnen selbst wirklich neutral gefühlt haben, eher, dass die Ablehnung eine Folge jahrzehntelanger Russlanddiplomatie war, die in Finnland so grandios wie in keinem anderen Land beherrscht wird. Also dass sie neutral sein wollten, aber genau wussten, dass das östlich der Grenze möglicherweise nicht so gesehen wird, und dass es hauptsächlich darauf ankommt, im Gespräch zu bleiben, aber das ist natürlich meine subjektive Wahrnehmung. Ich habe tatsächlich eher Sorge und Bedenken gespürt, besonders 2014, da war das Gefühl der Verwundbarkeit geradezu greifbar, genau wie der Wunsch, nicht zu provozieren. Ich erinnere mich noch an den Artikel in der SZ, in dem der Präsident damit zitiert wurde, dass er Russland daran erinnern möchte, dass Finnland das Tor des östlichen Nachbarn zu Europa sein kann, sich allerdings klar im Westen verankert sieht (so ähnlich jedenfalls), was ich natürlich gut fand, aber ich habe nicht geglaubt, dass das der östlich Nachbar auch so sieht oder je so gesehen hat, jedenfalls, was das Tor angeht. Als ich das auf Arbeit erwähnt habe, waren die Reaktionen gespalten in Aggression und Resignation, aber eine Vermittlerrolle schien eher hypothetisch. Für mich fühlt sich das Ganze wie ein Schachspiel an, wahlweise auch Poker, aber es gibt nur zwei (Haupt-) Spieler beiderseits einer 1300 km langen Grenze.
    Zu Corona: Ich hab mir gestern die dritte Impfe abgeholt, aber nur aus bürokratischen Gründen, weil die heimatliche Gesetzgebung der wissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung hinterherhinkt und zwei Impfungen plus Infektion nicht akzeptiert, sondern den Abstand der zweiten Impfung zum Einreisedatum auf 9 Monate festgelegt hat und den Abstand der Infektion auf 3 Monate. So bin ich nun also geboosterboostert, mit mittelmäßigem bis wenig Effekt, aber wenigstens stehen die richtigen Zahlen in meinem Coronapass.

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